= das Herstellen (und Reproduzieren) von Geschlecht (Gender) sowie Geschlechtszugehörigkeit in (alltäglichen) Handlungen und in dem Kontakt mit anderen Menschen (vgl. Gilbert [o.J.] und Gildemeister 2008).

Das Konzept des „doing gender“ kommt aus der interaktionstheoretischen Soziologie und geht davon aus, dass Geschlecht keine natürlich gegebene Eigenschaft eines Menschen ist, sondern nur in Verbindung mit sozialen Prozessen besteht. Das Handeln in diesen Prozessen, welches Geschlecht hervorbringt, kann durchaus unbewusst ablaufen (vgl. Gildemeister 2008 und Gilbert o.J.). Dies trägt zur „Unsichtbarkeit“ der entsprechenden Mechanismen und damit des sozialen Aspekts des Geschlechts bei  (vgl. Gildemeister 2008 und Meuser 2010).

In den Interaktionen ordnet der einzelne Mensch anderen Menschen Geschlechtskategorien mit unterschiedlichen sozialen Bedeutungen wie Zuschreibungen zu und vollführt gleichzeitig die Handlungen, die wiederum von den anderen Menschen dafür genutzt werden, ihn einer Kategorie zuzuordnen – die Geschlechtszugehörigkeit ist somit nicht das Ergebnis einer willentlichen Entscheidung eines einzelnen Menschen, sondern wird immer in geteilter (ggf. unbewusster) Verantwortung durch den Gruppenprozess hergestellt (vgl. Gilbert o.J. und Villa 2006). Die Einteilung in Kategorien hat zunächst den Effekt, die Komplexität der Realität zu verringern (Stereotyp) und vereinfacht damit weitere Handlungen. Gleichzeitig sind die Zuordnungen zu den Geschlechtern „Frau“ oder „Mann“ oft mit (weiteren) Erwartungen an Verhalten und Auftreten verbunden und wesentlich ausschlaggebend für Fragen unterschiedlicher Verteilung von bestimmten Ressourcen (soziale Ungleichheit), was sich beispielsweise in unterschiedlich hohen Arbeitslöhnen äußern kann (vgl. Gilbert [o.J.]).

Neben bestimmten Handlungen, die ggf. als mehr oder weniger „typisch männlich“ oder „typisch weiblich“ eingestuft werden, bilden auch Dinge, wie Kleidung, Namen, (Selbst-)Bezeichnungen oder die Höhe der Stimme Bestandteile von „doing gender“ (vgl. Villa 2006). Sowohl die Anwendung dieser Aspekte als auch die Zuordnung anderer Menschen wird als Teil im Prozess der Sozialisation gelernt (vgl. Meuser 2010).

Die Selbstverständlichkeit dieser Mechanismen wird durch Irritationen deutlich, die Menschen haben können, wenn sie andere Menschen nicht eindeutig zuordnen können, beispielsweise wenn es (aus der Perspektive der Konventionen des „doing gender“) eine Nicht-Übereinstimmung zwischen der äußeren Erscheinung eines Menschen und seiner Stimmlage gibt (vgl. Gilbert o.J.). Entsprechende Irritationen zu provozieren kann Teil einer aktiven, z.B. queeren Praxis sein, die Zuordnungsmechanismen herausfordert.

Bezüge zur Sozialen Arbeit

Wie oben beschrieben, werden in der Sozialen Arbeit im Umgang mit Mitmenschen stetig Geschlechtsrollen und -bilder hergestellt sowie reproduziert – sowohl durch das eigene Verhalten als auch durch die verbal und nonverbal kommunizierten Erwartungen an das Gegenüber.

Dabei gilt im Prinzip der Leitsatz von Paul Watzlawick über das Kommunizieren auch für doing gender:

Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren“ (http://www.paulwatzlawick.de/axiome.html; 14.02.2017).

In Anlehnung an das obenstehende Zitat lässt sich festhalten, dass man nicht nicht seine Bilder von Geschlecht kommunizieren kann. Einige wenige Beispiele:

  • Wer einen neuen Erzieher im Team mit den Worten: „Klasse, dass wir jetzt auch einen Mann im Team haben, das bringt neues Leben in die Runde“ begrüßt, macht damit Erwartungen an den Kollegen ebenso deutlich wie den Blick auf das bisher rein weibliche Team.
  • Besonders deutlich wird es, wenn derselbe Kollege von einer anderen Kollegin mit den folgenden Worten begrüßt wird: „Endlich ein Mann im Team, dann haben die Jungs mal jemanden zum Fußballspielen“ oder „Klasse, dass du jetzt bei uns bist – evtl. hast du heute Nachmittag mal Zeit mir was am PC zu erklären. Wir haben da seit 14 Tagen ein Problem mit dem Mailprogramm“.
  • Häufig sind die Äußerungen im pädagogischen Kontext als Bestärkung/Ermunterung gemeint. Sie verdeutlichen aber gleichzeitig die dahinterstehenden Rollenbilder, wie beispielsweise folgende:  „Klasse, dass Du jetzt so lange in der Werkstatt gebaut hast, Marie. Das war ja sogar länger als Arif und Tom!“ oder „Ihr Sohn hat heute ganz fleißig beim Tischdecken und - abräumen geholfen. Ich finde es toll, dass er als Junge solch eine Freude an diesen hauswirtschaftlichen Dingen hat.“

Wichtig ist daher, sich einerseits einzugestehen, dass es nicht möglich ist, in allen Belangen „geschlechtsneutral“ zu kommunizieren. Es gilt vielmehr, geschlechtsreflexiv zu agieren sowie zu kommunizieren und sich dabei durch Feedback von Kolleg*innen regelmäßig selbst zu reflektieren wie auch die eigenen Haltungen zu überprüfen.

Literatur

Gilbert, Anne-Françoise (o.J.): Doing Gender. URL: https://elearning.unifr.ch/equal/de/glossar#D. [02.12.2016].

Gildemeister, Regine (2008): Doing Gender: Soziale Praktiken der Geschlechterunterscheidung. In: Becker, Ruth/ Kortendiek, Beate (Hrsg.): Handbuch Frauen- und Geschlechterforschung. Theorie, Methoden, Empirie (2., erweiterte und aktualisierte Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 137–145.

Meuser, Michael (2010): Geschlecht und Männlichkeit. Soziologische Theorie und kulturelle Deutungsmuster (3. Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Villa, Paula-Irene (2006): Sexy Bodies. Eine soziologische Reise durch den Geschlechtskörper (3., aktualisierte Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Leuphana Universität Lüneburg / Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik / Projekt "KomPädenZ Potenzial" 2017


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