= gesellschaftliches Machtverhältnis und System der konsequenten Bevorteilung weißer Menschen und Benachteiligung und Diskriminierung von People of Color. Rassismus wirkt in institutionellen Regelungen und Gesetzen ebenso wie in der Verteilung des Zugangs zu materiellen, sozialen und anderen Ressourcen und auf der zwischenmenschlichen Ebene. Rassistische Handlungen benötigen keine negativen Einstellungen gegenüber People of Color als Voraussetzung, sondern knüpfen an historische Traditionen systematischer Ungleichbehandlung und Fremdzuschreibungen in Assoziationen und Bildern an (vgl. Attia 2014 und Sow 2011(1)).

Rassismus wirkt dabei nicht „allein“, sondern in Wechselwirkung mit anderen Machtverhältnissen wie dem Sexismus (vgl. Attia 2014; siehe auch DifferenzMehrfachdiskriminierung und Intersektionalität).

People of Color (PoC) ist eine Selbstbezeichnung von Menschen, die „Rassismuserfahrungen, Ausgrenzung von der Mehrheitsgesellschaft und kollektive Zuschreibungen des „Andersseins““ (Adomako 2017) teilen. Der Begriff hilft dabei, Bündnisse zu bilden, die über eine Community hinausgehen und gemeinsam gegen die Unterdrückung und Benachteiligung zu kämpfen. In dieser Verwendung geprägt wurde der Begriff in den 1960er Jahren von der in den USA entstandenen „Black Power“-Bewegung (vgl. ebd. und Ha 2009). „People of Color“ ist nicht mit „Farbige“ zu übersetzen. Zum einen trägt „Farbig“ dazu bei, dass weiß als (unbenannter) „Normalzustand“ erscheint, zum anderen ist „Farbige“ keine (politische) Selbstbezeichnung (vgl. Adomako 2017 und Sow 2011(2)).

weiß bezeichnet demnach eine bevorteilte Position innerhalb des rassistischen Machtverhältnisses (vgl. Adomako 2017). Diese Vorteile zu erkennen und sich darüber bewusst zu werden, wie weit ggf. das eigene Handeln (auch unbeabsichtigt) zur Aufrechterhaltung der Diskriminierung beiträgt, ist eine wichtige Voraussetzung für den Beitrag weißer Menschen zur Bekämpfung des Rassismus (vgl. Hark/Villa 2017). Sprechen weiße Menschen People of Color die Rassismuserfahrung ab oder fassen diese als deren individuelles Problem auf, tragen sie dazu bei, dass rassistische Strukturen bestehen bleiben (vgl. Iroh/Siegenthaler 2014).

In Verbindung zum Beginn des Kolonialismus kam rassistischem vermeintlichem  „Wissen“ die Funktion zu, Ausbeutung, Versklavung, Herrschaft und andere Formen von Gewalt zu rechtfertigen. Wurden People of Color systematisch als „weniger wertvoll“ oder „rückschrittlich“ aufgefasst, dargestellt und behandelt, ermöglichte dies auch eine positive Selbstdefinition der europäischen weißen Gruppen (vgl. Arndt 2011, Attia 2014 und Sow 2011(1)).

Fortsetzungen der im Kolonialismus entstandenen rassistischen Traditionen bestehen heute u.a. in folgenden, miteinander zusammenhängenden Bereichen:

a) Die Rechtfertigungsfunktion bildet auch heute noch einen zentralen Bestandteil des Rassismus, beispielsweise in öffentlichen Debatten, wer „zu uns“ gehört und wer nicht. Dabei wird zum Teil weniger explizit eine unterschiedliche Wertigkeit zwischen Gruppen behauptet (auch wenn diese trotzdem mit-gedacht ist), als auf vermeintliche grundlegende Unterschiedlichkeiten verwiesen, die ein Zusammenleben erschweren oder ausschließen (sollen). In diesem Rahmen wird der Begriff „Kultur“ teilweise als Ersatz für „Rasse“ verwendet (vgl. Attia 2014).

b) Rassistisches „Wissen“ ist immer noch in Sprache und kulturelle Darstellungen eingelagert (vgl. Arndt 2011 und Attia 2014).

c) Die Verhältnisse zwischen ehemaligen Kolonialmächten und Ländern, die kolonialisiert worden waren, sind von politischen und ökonomischen Ungleichgewichten geprägt (vgl. Attia 2014).

Bezüge zur Sozialen Arbeit

Die Soziale Arbeit als „Menschenrechtsprofession“, die gleichzeitig auf Basis des Grundgesetzes und des jeweils geltenden Rechts handelt (Soziale Ungleichheit), hat die Aufgabe, sich für gute Lebensbedingungen aller Menschen, gleich welchen Geschlechts, welcher Ethnie (zur Problematik dieses Begriffs siehe hier), welchen Alters usw. einzusetzen. Menschenverachtenden Einstellungen, der Ab- bzw. Aufwertung einzelner Gruppen und demokratiefeindlichen Gesinnungen, tritt die Soziale Arbeit daher engagiert entgegen.

„Eine erfolgreiche Strategie Sozialer Arbeit gegen Rechtsextremismus liegt

  • im Ausbau der Gemeinwesenarbeit,
  • dem Ausbau bürgerschaftlichen Engagements durch Verbesserung der Partizipation von Kindern und Jugendlichen und der Bürgerinnen und Bürger im Gemeinwesen unabhängig von Ethnie, Geschlecht, Religionszugehörigkeit und Behinderung,
  • in der Stärkung der Zivilgesellschaft,
  • im Ausbau der wohnortnahen außerschulischen Jugendarbeit, der politischen Jugendbildung und
  • in der internationalen Jugendarbeit.“ (Gilde Soziale Arbeit 2014)

Bei rassistischen, wie auch bei homosexuellenfeindlichen oder sonstigen menschenfeindlichen Tendenzen gerät auch das Prinzip der parteilichen Sozialen Arbeit an seine Grenzen.

Literatur

Adomako, Tina (2017): Hä? Was heißt denn People of Color? URL: https://missy-magazine.de/blog/2017/04/03/hae-was-heisst-denn-people-of-color/ [02.02.2018].

Arndt, Susan (2011): Rassismus. In: Arndt, Susan/ Ofuatey-Alazard, Nadja (Hrsg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Münster: Unrast, S. 37-43.

Attia, Iman (2014): Rassismus als gesellschaftliches Machtverhältnis. URL: http://lernen-aus-der-geschichte.de/Lernen-und-Lehren/content/12012 [15.01.2018].

Gilde Soziale Arbeit (2014): Bielefelder Erklärung 2014. URL: https://www.uni-marburg.de/fb21/erzwiss/personal/prof/maurer_hp/akt/biele.pdf [21.12.2016].

Ha, Kien Nghi (2009): "People of Color" als solidarisches Bündnis. URL: http://migrazine.at/artikel/people-color-als-solidarisches-b-ndnis [15.01.2018].

Hark, Sabine/Villa, Paula-Irene (2017): Unterscheiden und herrschen. Ein Essay zu den ambivalenten Verflechtungen von Rassismus, Sexismus und Feminismus in der Gegenwart. Bielefeld: transcript.

Iroh, Jennifer Ndidi/Siegenthaler, Rafaela (2014): Definitionsmacht enteignen! URL: http://www.migrazine.at/artikel/definitionsmacht-enteignen [02.11.2018].

Sow, Noah (2011): Rassismus. In: Arndt, Susan/ Ofuatey-Alazard, Nadja (Hrsg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Münster: Unrast, S. 37. 

Sow, Noah (2011): Farbig/e. In: Arndt, Susan/ Ofuatey-Alazard, Nadja (Hrsg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Münster: Unrast, S. 684-686.

weiterführende Literatur

Melter, Claus (2006): Rassismuserfahrungen in der Jugendhilfe: Eine empirische Studie zu Kommunikationspraxen in der Sozialen Arbeit. Münster: Waxmann.

Melter, Claus (Hrsg.) (2015): Diskriminierungs- und rassismuskritische Soziale Arbeit und Bildung: Praktische Herausforderungen, Rahmungen und Reflexionen. Weinheim: Beltz Juventa.

Ogette, Tupoka (2017): exit RACISM. rassismuskritisch denken lernen. Münster: Unrast.

Leuphana Universität Lüneburg / Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik / Projekt "KomPädenZ Potenzial" 2018


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