= vorgefasste, d.h. ohne oder mit nur wenig Bezug auf konkrete Erfahrung gebildete (meistens feindliche oder ablehnende) Meinung über Menschen, Gruppen oder einzelne Sachverhalte (vgl. Friesenhahn 2000; Gaidosch et al. 2002; Lilli 2011 und Diversity-Portal Universität Duisburg-Essen 2015).

In den meisten Fällen beruft sich ein Vorurteil auf unvollständige, verzerrte oder falsche Informationen und wird nicht an der Realität überprüft. Gab es bereits Erfahrungen mit den entsprechenden Personen oder Sachverhalten, werden diese oft generalisiert und im Falle der Zugehörigkeit jener Person zu einer Gruppe als für alle Mitglieder dieser Gruppe zutreffend angesehen (vgl. Gaidosch et al. 2002, Lilli 2011 und Diversity-Portal Universität Duisburg-Essen 2015). Auch kann die Einschätzung und Einordnung dieser Erfahrungen durch unvollständige oder falsche Informationen geprägt sein oder es wird gleich nur das wahrgenommen, was bereits in das Vorurteilsraster passt (vgl. Friesenhahn 2000).

Mit dieser Prägung der Wahrnehmung nutzen Menschen meist unreflektiert Vorurteile, da sie die Komplexität der gesellschaftlichen Realität vereinfachen und helfen, ihr Handeln in dieser Realität zu strukturieren (vgl. Diversity-Portal Universität Duisburg-Essen 2015 und Friesenhahn 2000). In Verbindung damit verfügen die meisten Vorurteile über eine stark ausgeprägte emotionale Dimension. Sich mit ihnen auseinanderzusetzen, kann Widerstände hervorrufen (vgl. Friesenhahn 2000 und Lilli 2011).

Vorurteile gehen in diskriminierende Machtverhältnisse wie den Rassismus ein (vgl. Lilli 2011 und Diversity-Portal Universität Duisburg-Essen 2015), einzelne Menschen können sich aber auch beispielsweise rassistisch verhalten, ohne dafür über Vorurteile verfügen zu müssen (vgl. Sow 2011).

Vorurteile weisen mehrere Gemeinsamkeiten mit Stereotypen auf. Generell gelten sie im Vergleich mit diesen aber als emotional bedeutsamer und durch konkrete Erfahrungen und Erkenntnisse schwieriger veränderbar. Stereotypen können sich zu Vorurteilen verdichten (vgl. Gaidosch et al. 2002 und Friesenhahn 2000).

Bezüge zur Sozialen Arbeit

In der Sozialen Arbeit hat man es meist mit heterogenen Zielgruppen, häufig aus sozial benachteiligten Milieus zu tun. Wie oben dargelegt, kann es dabei zu Vorurteilen kommen, d.h. der Einordnung der Klient*innen in bestimmte Gruppen mit entsprechenden Verhaltensweisen und Bedürfnissen. Um diesen gerecht zu werden und die Diversität der Klient*innen zu ordnen (= Komplexitätsreduktion), ist diese Gruppenbildung teilweise sogar hilfreich. Die Gefahr besteht dabei aber darin, die einzelnen Individuen in Schubladen einzuordnen, die nicht oder nur teilweise zutreffen, den Blick auf weitere Stärken, Schwächen und Bedürfnisse einengen und aus denen diese nicht mehr herauskommen.

In der Sozialen Arbeit gilt es daher, sich selbst mit den eigenen Vorurteilen auseinanderzusetzen und diese – z.B. im Rahmen von Supervision und kollegialer Beratung – zu reflektieren. Gleichzeitig sind Vorurteile auf Seiten der Klient*innen kritisch zu hinterfragen, wenn es z.B. im Rahmen der Kinder- und Jugendarbeit, der Arbeit mit Heranwachsenden in der stationären Jugendhilfe oder der Tätigkeit mit marginalisierten Erwachsenen zu Vorurteilen und ggf. Diskriminierung anderer Gruppen oder Individuen kommt.

Beispiele könnten sein:

  • Vorurteile aufgrund der „Ethnizität“ und des Geschlechts (Gender): „Türkische männliche Jugendliche im Jugendhaus stellen eine Problemgruppe dar, die sich höchstens für HipHop und Breakdance interessiert.“
  • Vorurteile aufgrund des Geschlechts (Gender): „Wenn ich die Eltern für Elternarbeit begeistern will, dann erreiche ich die Mütter eher über Elternabende und Bastelnachmittage, die Männer eher beim Sommerfest mit Grillwurst.“ und „Mädchen im Kindergarten mögen lieber die Prinzessinnenseife, Jungs den Seifenspender mit dem Ritter.“
  • Vorurteile aufgrund der sexuellen Orientierung: „Lesbische Frauen erkennt man gleich am kurzen Haar und dem burschikosen Auftreten. Schwule Männer haben immer einen besonderen Modegeschmack und können gut zuhören.“
  • Vorurteile und Stereotype aufgrund des Namens (z.B. Kevin, Celina, Justin und Chantal(le) im Vergleich zu Lisa-Marie, Maximilian, Charlotte und Simon) (vgl. z.B. Kaiser 2010)

Literatur

Diversity-Portal Universität Duisburg-Essen (30.11.2015): Vorurteil. URL: https://www.uni-due.de/diversity/diversityglossar.shtml#v [15.12.2016].

Friesenhahn, Günter (2000): Stereotypen und Vorurteile. URL: https://www.dija.de/fileadmin/medien/downloads/Dokumente/Guenter2IKL.pdf [15.09.2016].

Gaidosch, Ulrike/ Mau-Endres, Birgit/ Ufholz, Bernhard/ Waas, Lisa (2002): Interkulturelles Kompetenz- und Konflikttraining für den Beruf (IKK). Handout zum Grundlagenseminar. URL: http://www.f-bb.de/uploads/tx_fffbb/IKK-Grundlagen-Handout.pdf [15.09.2016].

Kaiser, Astrid (2010): Vornamen: Nomen est omen? Vorerwartungen und Vorurteile in der Grundschule. In: Schulverwaltung, 21(2), S. 58–59.

Lilli, Waldemar (2011): Vorurteil. In: Fuchs-Heinritz et al. (Hrsg.): Lexikon zur Soziologie (5., überarbeitete Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 741.

Sow, Noah (2011): Rassismus. In: Arndt, Susan/ Ofuatey-Alazard, Nadja (Hrsg.): Wie Rassismus aus Wörtern spricht. (K)Erben des Kolonialismus im Wissensarchiv deutsche Sprache. Ein kritisches Nachschlagewerk. Münster: Unrast, S. 37.  

Leuphana Universität Lüneburg / Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik / Projekt "KomPädenZ Potenzial" 2017


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