= Strategie der Überführung von Anliegen und Bedürfnissen von Menschen, die behindert werden, aus einer marginalisierten Perspektive in den Status einer allgemeinen und gesamtgesellschaftlichen Angelegenheit (vgl. Behrisch 2013).

Die entsprechenden Belange sollen nicht nur in Bereichen berücksichtigt werden, die für die Gruppe der Menschen, die behindert werden, offensichtlich relevant sind, sondern auf allen Ebenen gesellschaftspolitischen Handelns mitgedacht sowie die daraus resultierenden Forderungen umgesetzt werden. Damit meint Disability Mainstreaming mehr als Barrierefreiheit und Antidiskriminierung (vgl. ebd.).

Der Begriff des Disability Mainstreaming wird in Deutschland seit den frühen 2000er Jahren verwendet (maßgeblich geprägt durch den Bundesregierungsbeauftragten Karl Hermann Haack), tendenziell aber noch eher selten, beispielsweise in einigen Texten zur Umsetzung des UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (vgl. ebd. & Meyer/Kieslinger/Strähle o.J.), genutzt.

Für den Begriff diente das bereits etablierte Konzept des Gender Mainstreaming als Vorlage. Wie auch vielen Strömungen des Gender Mainstreaming liegt dem Disability Mainstreaming ein sozialkonstruktivistischer Ansatz zugrunde: „Behinderung“ wird primär als Ergebnis von sozialen Prozessen und nicht als jenseits des Gesellschaftlichen stehende beeinträchtigende Tatsache aufgefasst (vgl. Behrisch 2013).

Im Rahmen seiner Implementierung muss Disability Mainstreaming auch auf die Heterogenität innerhalb der Gruppe von Menschen, die behindert werden, reagieren. Aus dem Zusammenwirken von „Behinderung“ mit vielfältigen anderen Differenzkategorien – wie Alter, Geschlecht oder sexuelle Orientierung – ergeben sich auch unterschiedliche individuelle Erfahrungen der Diskriminierung und Exklusion sowie tendenziell auch unterschiedliche Voraussetzungen für die Artikulation von Gruppeninteressen und -identitäten (vgl. ebd. und Meyer/Kieslinger/Strähle o.J.).

Siehe auch: Normalisierung

Bezüge zur Sozialen Arbeit

Seit dem Inkrafttreten des „UN-Übereinkommens über die Rechte von Menschen mit Behinderungen“ 2008 gibt es verbindliche Vorgaben und Rechte, die für die gesamte Gesellschaft gelten. Menschen, die behindert werden, „nur“ zu integrieren und damit immer noch einen Unterschied zwischen Menschen mit oder ohne Behinderung vorzunehmen, ist nicht mehr gewollt und zeitgemäß. Stattdessen ist es die Aufgabe, die „vermeintlich Anderen“ gar nicht explizit zu erwähnen oder zum Thema zu machen, sondern es soll selbstverständlich und natürlich sein. Also Mainstream!

Auch in der Sozialen Arbeit sind eine Vielzahl an Herausforderungen zu finden, die das Disability Mainstreaming erschweren können. So kann als Beispiel die Schule als Ort der Begegnungen vieler unterschiedlicher Menschen genannt werden. Inklusion als verbindlicher Auftrag für Schulen stößt noch immer vielfach auf Empörung und Widerstand. Auch elf Jahre nach dem Beschluss der UN-Konvention ist Inklusion, und damit u.a. die Beschulung aller Kinder gleichermaßen, nicht der Standard. Deshalb sind auch die Fachkräfte gefragt, die die Arbeit mit den Adressat*innen übernehmen. Sie sind es, die den Kindern mit einem reflektieren Bewusstsein gegenübertreten und mit ihnen den Alltag gestalten sollen. Dabei ist es die Aufgabe, keine Unterschiede zwischen Kindern mit und ohne Behinderung herzustellen, sondern ein Vorbild für all jene zu sein, die Disability Mainstreaming noch nicht leben.

Literatur

Behrisch, Birgit (2013): Disability Mainstreaming. URL: http://gender-glossar.de/item/1-disability-mainstreaming [02.03.2017].

Meyer, Thomas/ Kieslinger, Christina/ Strähle, Clara (o.J.): Disability Mainstreaming. URL: http://www.inklumat.de/glossar/disability-mainstream [02.03.2017].

Leuphana Universität Lüneburg / Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik / Projekt "KomPädenZ Potenzial" 2017


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