= Bezeichnung für eine Vielfalt geschlechtlicher Identitäten (Gender), Lebens- und Ausdrucksweisen von Menschen, die nicht oder nicht ausschließlich in dem Geschlecht, welches ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde, leben und/oder sich nicht im System der Zweigeschlechtlichkeit verorten möchten (vgl. Franzen/Sauer 2010; Kleiner/Scheunemann 2016 und TransInterQueer e.V. 2013).
Der Begriff Trans*geschlechtlichkeit wird u.a. von politisch aktiven Personen (z.B. in queeren Kontexten) und Selbsthilfe-Gruppen verwendet. Entwickelt wurde er auch in Abgrenzung zu dem stark durch medizinisch-psychologische Kontexte gefärbten Begriff „Transsexualität“, der oft mit einem pathologisierenden Zug verwendet wird und insofern als irreführend aufgefasst werden kann, weil er wörtlich auf Sexualität statt auf Geschlechtlichkeit verweist (vgl. Kleiner/Scheunemann 2016 und Franzen/Sauer 2010).
„Trans*geschlechtlichkeit“ erhebt auch den Anspruch, eine breitere Vielfalt zu umfassen, wobei einige Menschen, die sich selbst als „transsexuell“ bezeichnen, ablehnen, unter jenem Begriff gefasst zu werden (vgl. Franzen/Sauer 2010 und Tietz 2015), "vor allem wenn sie (...) sich klar von geschlechtlicher Uneindeutigkeit unterschieden wissen möchten" (Franzen/Sauer 2010).
Der Begriff „Transgender“ wird u.a. von Menschen zur Selbstbezeichnung genutzt, deren Geschlecht nicht mit dem ihnen bei der Geburt zugewiesenen Geschlecht korrespondiert, aber nicht unbedingt körperliche Merkmale operativ angleichen lassen möchten. In diesem Sinne kann „Transgender“ als eine Kategorie innerhalb von „Trans*geschlechtlichkeit“ aufgefasst und verwendet werden. Zum Teil wird „Transgender“ aber auch synonym zu „Trans*geschlechtlichkeit“ (dementsprechend auch weitere Lebensweisen umfassend) verwendet (vgl. Tietz 2015 und Franzen/Sauer 2010).
Innerhalb des Begriffs „Trans*geschlechtlichkeit“ kann das „Trans“ sowohl im Sinne von „jenseits“ (seiner Bedeutung im Lateinischen), abgegrenzt von „Cis“ („diesseits“), als auch im Sinne des Prozesses (Transition) der Überschreitung von Geschlechtergrenzen aufgefasst werden (vgl. Kleiner/Scheunemann 2016 und Franzen/Sauer 2010). Der Stern in „Trans*“ (siehe gendersensible/gendergerechte Sprache) soll auf die Vielfalt der Identitäten und Lebensweisen hinter dem Begriff verweisen sowie die Möglichkeit weiterer Definitionen einräumen und betonen (vgl. TransInterQueer e.V. 2013). Für viele trans*geschlechtliche geht Menschen eine positive Selbstbezeichnung mit einem Effekt des Empowerments einher (vgl. TransInterQueer e.V. 2016 und Tietz 2015).
Trans*geschlechtliche Menschen sind in vielen Gesellschaften in allen Lebensbereichen erheblichen Diskriminierungen ausgesetzt, zu denen beispielsweise Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt, Belästigungen und andere Formen der Gewalt gehören können (strukturelle Diskriminierung und negative Einstellungen gegenüber trans*geschlechtlichen Menschen treten oft im Verbund mit Homosexuellenfeindlichkeit auf oder werden auf ähnliche Weise geäußert). Eine Betroffenheit durch Arbeitslosigkeit und Armut kann überdurchschnittlich häufig vorkommen. Nach der EU-Rechtsprechung sind trans*geschlechtliche Menschen im Antidiskriminierungsrecht über das Merkmal „Geschlecht“ geschützt – in Deutschland auch über die Regelung der „sexuellen Identität“. Allerdings besteht in der Praxis (auch vor dem Hintergrund weniger Präzedenzfälle) Rechtsunsicherheit über den Diskriminierungsschutz im Sinne des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetztes (AGG) (vgl. Franzen/Sauer 2010).
Viele trans*geschlechtliche Menschen entscheiden sich dafür, ihre Körper über Hormone und chirurgische Operationen an ihr Geschlecht anzugleichen und/oder (in Deutschland) auf Grundlage des sogenannten Transsexuellengesetzes (TSG, eigentlich „Gesetz über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen“) Vornamen und/oder Personenstand offiziell anzugleichen. Die mit diesen Prozessen institutionell verbundene Pathologisierung (zu der gehört, dass für die urkundlichen Anpassungen und eine Kostenübernahme der medizinischen Optionen die Diagnose „Transsexualität“ nötig ist) wird von vielen trans*geschlechtlichen Menschen scharf kritisiert und bildet für einige auch den Anhaltspunkt, sich ihnen zu verweigern. Einige ziehen es auch vor, ihr Geschlecht nur auf der sozialen Ebene zu leben (vgl. TransInterQueer e.V. 2013 und Franzen/Sauer 2010).
Bezüge zur Sozialen Arbeit
In der Praxis der Sozialen Arbeit spielt Trans*geschlechtlichkeit/Transgender einerseits in der direkten Arbeit mit trans* Personen eine Rolle, z.B. im Rahmen von Selbsthilfegruppen und Vereinen, die zum Thema arbeiten. Andererseits kann das Thema auch in der Beratung von indirekt betroffenen Personen, z.B. Verwandten oder Partner*innen eine Rolle spielen und so im Rahmen von sozialpädagogischen Beratungssettings auftauchen.
Im Rahmen der Querschnittsaufgabe der Sozialen Arbeit, sich gegen Diskriminierung und für Heterogenität, Inklusion und Vielfalt einzusetzen, ist das Thema insbesondere dann relevant, wenn es um die Sensibilisierung von Kindern und Jugendlichen für Vielfalt und gegen Ausgrenzung geht, z.B. im Rahmen der Arbeit in Schule, Schulsozialarbeit oder im Jugendzentrum.
Literatur
Franzen, Jannik/ Sauer, Arn (2010): Benachteiligung von Trans*Personen, insbesondere im Arbeitsleben. Berlin: Antidiskriminierungsstelle des Bundes. URL: http://www.antidiskriminierungsstelle.de/SharedDocs/Downloads/DE/publikationen/Expertisen/Expertise_Benachteiligung_von_Trans_personen.pdf?__blob=publicationFile [14.11.2016].
Kleiner, Bettina/ Scheunemann, Kim (2016): Trans*/Trans*Geschlechtlichkeit. URL: http://gender-glossar.de/de/glossar/item/54-trans-geschlechtlichkeit [11.11.2016].
Tietz, Lüder (2015): Homosexualität, Cross-Dressing und Transgender: Heteronormativitätskritische kulturhistorische und ethnographische Analysen. Oldenburg: Institut für materielle Kultur. URL: https://www.uni-oldenburg.de/fileadmin/user_upload/materiellekultur/Studien_zur_Materiellen_Kultur/Band16_Tietz_Diss_Homosexualitaet_2015.pdf [02.11.2016].
TransInterQueer e.V. (2016): Das “I” in TrIQ. URL: http://www.transinterqueer.org/uber-triq/das-i-in-triq/ [16.11.2016].
TransInterQueer e.V. (2013): Trans*. TrIQ informiert zum Thema Transgeschlechtlichkeit. Hinweise für Ärzt_innen, Psycholog_innen, Therapeut_innen und andere Berufsgruppen aus dem Gesundheitswesen (2. aktualisierte Auflage). Berlin: TransInterQueer e.V.. URL: http://www.transinterqueer.org/download/Publikationen/triq_infobroschuere_medizinpsych_berufe.pdf [15.11.2016].
Weiterführende Literatur
Ewert, Felicia (2018): Trans. Frau. Sein. Aspekte geschlechtlicher Marginalisierung. Münster: edition assemblage.
Leuphana Universität Lüneburg / Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik / Projekt "KomPädenZ Potenzial" 2018
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