= Gruppe innerhalb einer Bevölkerung, deren Mitglieder miteinander bestimmte Merkmale (z.B. Einkommen, Beruf, Bildung oder Lebensstil) teilen, durch die (und deren Kombination) sie innerhalb einer hierarchischen Sozialstruktur (soziale Ungleichheit) von anderen Gruppen unterschieden werden können.

 „Soziale Schicht“ wird zum Teil synonym zu „Klasse“ verwendet, allerdings liegen diesen Begriffen im soziologischen Kontext unterschiedliche Betrachtungszugänge und Erkenntnisansprüche zugrunde (vgl. Groß 2015 und Brusten 2011): Konzepte, die von Schichten ausgehen, verfügen häufiger über eine beschreibende Dimension – bezogen auf soziale Ungleichheit geht es dabei meistens um die Beschreibung der Verteilung hinsichtlich der Ungleichheit relevanter Ressourcen, die entsprechenden Strukturen der Ungleichheit und die Darstellung der lebensweltlichen Konsequenzen der Verteilung. Klassenkonzepte erheben häufiger einen Anspruch der Erklärung wie auch der Kritik der Ungleichheit und rücken die ökonomische Dimension (und darin zumindest in den durch Karl Marx geprägten Konzepten das strukturelle Ausbeutungsverhältnis zwischen den Klassen) in den Fokus (vgl. Groß 2015).

Aktuelle Schichtkonzepte reagieren auf mehrere soziale Entwicklungen. Dazu gehört (zumindest im Kontext der Bundesrepublik Deutschland) der Anstieg des generellen Wohlstandslevels in den letzten vierzig Jahren. Dabei sind einerseits lebensstil- und weitere lebensweltbezogene Unterschiede zwischen in Schichten einteilbaren Gruppen inzwischen schwieriger wahrzunehmen. Andererseits ist der Wechsel zwischen diesen Gruppen für einzelne Menschen (soziale Mobilität) einfacher geworden und viele dieser Gruppen gehen ineinander über oder überschneiden sich (vgl. Groß 2015). Hinsichtlich der Frage, nach welchen Kriterien Menschen sich einer Schicht zuordnen oder von anderen dieser zugeordnet werden, werden inzwischen auch stärker Diversity-Dimensionen, wie Alter sowie die Wechselwirkungen zwischen diesen Dimensionen (Intersektionalität) in den Blick genommen (vgl. Groß 2015 und Becker-Schmidt 2007).

Bezüge zur Sozialen Arbeit

Wie Pierre Bourdieu in seinem Werk „Die feinen Unterschiede“ (1979/ 1982) aufzeigt, hat jeder Mensch einen Habitus[1], der durch die soziale Schicht/ das Milieu maßgeblich geprägt wird. Den Habitus zu verändern und zu transformieren wird als Prozess, der von großen Hürden geprägt ist, beschrieben (vgl. El-Mafaalani, 2014, S. 24 f.) Durch die Habitustransformation wird meist auch die soziale Schicht verlassen. Der (Aufstiegs-)Prozess verläuft sukzessive und braucht eine innere Motivation, einen Grund (siehe dazu auch Emanzipation), um diesen gelingen zu lassen (vgl. ebd.).

In der Sozialen Arbeit wird häufig mit Klientel gearbeitet, das nicht der gleichen sozialen Schicht wie die Sozialarbeiter*innen angehört. Daher ist es zunächst wichtig, die eigene Herkunft und Prägung zu reflektieren und sich – so gut dies möglich ist – mit den eigenen Norm- und Wertvorstellungen und dem eigenen Auftreten auseinanderzusetzen. Wichtig ist es dabei anzuerkennen, dass die Prägungen, die in der eigenen Sozialisation erworben wurden, nicht für alle Menschen gleichermaßen „erstrebenswert“ sein müssen und es daher auch zu Irritationen im zwischenmenschlichen Miteinander kommen kann, weil Wertvorstellungen voneinander abweichen.

In der konkreten Arbeit gilt es, die soziale Schicht als eine die Vergangenheit und Gegenwart der Klient*innen stark beeinflussende Größe zu reflektieren und gemeinsam mit diesen an den Folgen der Schichtzugehörigkeit zu arbeiten. Dies kann nur gelingen, wenn die Wünsche und Möglichkeiten der Klient*innen mit ihnen gemeinsam erörtert werden und die Selbstwirksamkeit der Personen, mit denen gearbeitet wird, gestärkt wird (vgl. auch Empowerment).

Dabei muss beachtet werden, dass der im sozialen Milieu erworbene Habitus „inkorporiert“ ist. Das heißt, er ist Teil der Persönlichkeit und lässt sich nur schwer verändern. In Stress- oder Grenzsituationen fallen viele Menschen daher auch dann in ihren ursprünglichen Habitus zurück, wenn sie zuvor aus der sozialen Schicht auf- oder abgestiegen sind und dabei ihren Habitus verändert haben (der Volksmund nennt dies „nicht aus seiner Haut herauskönnen“ und es spielen z.B. viele Filme mit diesem Effekt, wie „Pretty Woman“ mit Julia Roberts, „Plötzlich Prinzessin“ mit Anne Hathaway oder „Der Prinz aus Zamunda“ mit Eddie Murphy).


[1] Das Wort Habitus kommt aus dem Lateinischen und bedeutet: haben, Gehaben. Es steht für die Umgangsformen eines Menschen, beschreibt aber auch Gewohnheiten, Vorlieben oder das auftretende Sozialverhalten. Dieser Begriff wurde durch die Soziologen Norbert Elias und Pierre Bourdieu geprägt. Die gemeinsame Handlung, das gemeinsame Denken sowie Fühlen von Mitgliedern einer Gruppe bezeichnet Elias als "sozialen Habitus". Bourdieu gibt an, dass der Habitus das gesamte Auftreten eines Individuums ist, angefangen von der Sprache, über die Kleidung bis hin zum Lebensstil. Der Habitus gibt an, zu welcher Gesellschaftsschicht eine Person gehört (Quelle: http://soziologie-kompakt.de/w/Habitus [Stand 08.05.2020]).


Literatur

Becker-Schmidt, Regina (2007): „Class“, „gender“, „ethnicity“, „race“: Logiken der Differenzsetzung, Verschränkungen von Ungleichheitslagen und gesellschaftliche Strukturierung. In: Klinger, Cornelia/ Knapp, Gudrun-Axeli/ Sauer, Birgit (Hrsg.): Achsen der Ungleichheit. Zum Verhältnis von Klasse, Geschlecht und Ethnizität. Frankfurt am Main/New York: Campus, S. 56–83.

Bourdieu, Pierre (1982): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. 1. Auflage. Frankfurt am Main: Suhrkamp.

Brusten, Manfred (2011): Schicht, soziale. In: Fuchs-Heinritz et al. (Hrsg.): Lexikon zur Soziologie (5., überarbeitete Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften, S. 592.

El-Mafaalani, Aladin (2014): Vom Arbeiterkind zum Akademiker. Über die Mühen des Aufstiegs durch Bildung. Sankt Augustin, Berlin: Konrad-Adenauer-Stiftung e.V. URL: https://www.kas.de/einzeltitel/-/content/vom-arbeiterkind-zum-akademiker1 [Stand 16.10.2019].

Groß, Martin (2015): Klassen, Schichten, Mobilität. Eine Einführung (2. Auflage). Wiesbaden: Springer VS.

weiterführende Literatur

Kessl, Fabian/ Reutlinger, Christian/ Ziegler, Holger (Hrsg.): Erziehung zur Armut? Soziale Arbeit und die ,neue Unterschicht‘. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.


Leuphana Universität Lüneburg / Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik / Projekt "KomPädenZ Potenzial" 2020


Haftungshinweis: Wir übernehmen keine Haftung für die Inhalte externer Links. Für den Inhalt der verlinkten Seiten sind ausschließlich die betreibenden Personen oder Organisationen verantwortlich.

  • Keine Stichwörter