= Gruppierung von Menschen „mit ähnlichen Werthaltungen, Mentalitäten und Lebensstilen und einer geteilten räumlich-sachlichen Umwelt (wie Stadtviertel, Region, Beruf, Bildung und Erziehung, Politik, Kultur)“ (bpb 2012).
Das Konzept der sozialen Milieus kommt in unterschiedlichen Kontexten zum Tragen. Sogenannte Milieustudien liefern Informationen zu Denk- und Handlungsmustern der Menschen, die dem jeweiligen Milieu angehören und finden u.a. Anwendung in der Sozialwissenschaft, Wirtschaft und Politikforschung (vgl. Hradil 2006, S. 8). In Abgrenzung zu sozialen Klassen oder Schichten, deren Zusammensetzung meist von sozioökonomischen Faktoren abhängt oder an diesen festgemacht wird, spielt bei sozialen Milieus oft auch ein Zusammengehörigkeitsgefühl unter den sich der jeweiligen Gruppe zuordnenden Menschen eine Rolle. Es kommt z.B. häufig vor, dass soziale Milieus die Grenzen von Klassen und Schichten überschreiten – wie etwa in Kirchengemeinden, in denen sich Menschen mit unterschiedlichen wirtschaftlichen und sozialen Hintergründen treffen (vgl. bpb 2012). Da es soziale Milieus in verschiedensten gesellschaftlichen Bereichen gibt, gehört ein Mensch in der Regel mehreren solcher Gruppierungen an.
Im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Milieubegriff besonders häufig benutzt, wenn – „etwa bei „bildungsfernen Milieus“ – auf soziale Vor- oder Nachteile und zugleich auf kulturelle Unterschiede zwischen solchen Gruppierungen aufmerksam gemacht werden soll“ (Hradil 2006, S. 3).
Bezüge zur Sozialen Arbeit
Die diversen Angebote und Formen schulischer Elternarbeit sollten sich – so die immer wieder durchaus zu Recht eingebrachten Appelle – (auch) an den Fragen, Anliegen und Bedürfnissen der Mütter und Väter orientieren. Wie die Milieuübersichten aufzeigen, stellen sich Eltern dabei als eine sehr inhomogene Gruppe mit milieuspezifischen Forderungen, Wünschen und Bedürfnissen dar. Lehrkräfte stehen demnach vor besonderen Herausforderungen, weil es „die“ Eltern nicht gibt.
Versuche, die Heterogenität zu fassen, laufen immer Gefahr, Gruppen zu kategorisieren und zu stereotypisieren – davor sind auch die vorgestellten Milieus nicht gefeit. Sie können aber eine Auseinandersetzung mit der gesellschaftlichen Vielfalt und den eigenen normativen Prägungen anregen, denn es sollte für die professionell an der Institution Schule tätigen Personen darum gehen, die Themen, die Mütter und Väter beschäftigen, unabhängig von den eigenen Wertvorstellungen und Herkunftsmilieus ernst zu nehmen sowie aufzugreifen. Die vertiefte Beschäftigung mit anderen Lebenswelten kann zum einen dazu beitragen, das eigene Herkunftsmilieu und die eigenen normativen Prägungen zu reflektieren und so durch einen weitestgehenden Abstand von eigenen Einflüssen ein gewisses Maß an Unvoreingenommenheit zu erreichen, indem man vorurteilsbewusst und vorurteilsauflösend mit unterschiedlichen in den Familien gelebten Normen und Werten umgeht (vgl. Behse-Bartels o.J.) Sie kann zum anderen dazu dienen, die eigene Wahrnehmung für soziale Veränderungen und Strömungen zu schärfen und dadurch sowohl Verhaltensweisen der Heranwachsenden als auch Fragen und Bedürfnisse von Eltern besser einordnen und aufgreifen zu können (vgl. dazu Eylert-Schwarz 2017).
Literatur
Bpb – Bundeszentrale für politische Bildung (2012): Begriffsdefinitionen. Soziale Milieus und Lebensstile. URL: http://www.bpb.de/politik/grundfragen/deutsche-verhaeltnisse-eine-sozialkunde/138453/begriffsdefinitionen [21.12.2016].
Eylert-Schwarz, Andreas (2017). Elterliche Milieus: Einstellungen, Erwartungen und Bedürfnisse einer heterogener werdenden Elternschaft. Friedrich-Jahresheft, (XXXV), S. 69–73.
Hradil, Stefan (2006): Soziale Milieus – eine praxisorientierte Forschungsperspektive. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Soziale Milieus. Nr.44–45, S. 3–10.
weiterführende Literatur
Bourdieu, Pierre (1987): Die feinen Unterschiede. Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft. Berlin: Suhrkamp.
Liebhardt, Karin (2016): Klasse |Schicht | Milieu. In: Diendorfer, Gertraud/ Bellak, Blanka/ Pelinka, Anton/ Wintersteiner, Werner (Hrsg.): Friedensforschung, Konfliktforschung, Demokratieforschung. Ein Handbuch. Wien: Böhlau Verlag.
Leuphana Universität Lüneburg / Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik / Projekt "KomPädenZ Potenzial" 2017
Haftungshinweis: Wir übernehmen keine Haftung für die Inhalte externer Links. Für den Inhalt der verlinkten Seiten sind ausschließlich die betreibenden Personen oder Organisationen verantwortlich.