= das soziale Geschlecht in Abgrenzung zum biologischen Geschlecht (das im Englischen mit sex bezeichnet wird**) sowie die Verhältnisse der Geschlechter, die sozial, kulturell, symbolisch und historisch geprägt sind. Menschen aller Geschlechter gestalten diese Verhältnisse aktiv mit (doing gender) und können sie durch dieses Handeln sowohl (re)produzieren als auch verändern (vgl. Henschel 2012).

Der Begriff „Gender“ verweist darauf, dass es keine geschlechtsneutrale soziale Realität gibt. Alle Prozesse innerhalb dieser Realität, einschließlich der individuellen Wahrnehmungen und Bewertungen von anderen Menschen, sind bereits durch die Geschlechterverhältnisse geprägt. Geschlechterverhältnisse basieren auf hierarchisch organisierten Arbeitsteilungen zwischen den Geschlechtern, wie sie sich in „westlichen“ Gesellschaften mit dem Aufkommen der bürgerlichen Familie im 18. Jahrhundert herausgebildet haben. Männer und Frauen werden durch arbeitsteilige Prozesse in unterschiedliche soziale Sphären verwiesen und an differente soziale Positionen gebunden (Öffentlichkeit vs. Privatheit; (Haupt-)Ernährer vs. finanziell Abhängige). Trotz gesellschaftlicher Veränderungen nimmt dieses Verhältnis bis heute Einfluss auf beispielsweise die Berufs- und Studienwahl von Männern und Frauen (vgl. Henschel/Eylert-Schwarz 2015).

Die Hierarchisierung der Geschlechter greift in ihren Auswirkungen in sozialen Strukturen, Organisationen sowie in den individuellen Beziehungen und Praktiken der Menschen u.a. auf traditionelle Vorstellungen der Geschlechter und damit verbundene Rollenerwartungen zurück. Dabei gehen die Vorstellungen von der Grundannahme zweier klar abgrenzbarer Geschlechter aus (Geschlechterdualität), die vermeintlich Gegensätze zueinander bilden (Geschlechterpolarität). Gegenüber der sozialen Ausdifferenzierung und Komplexität in modernen Gesellschaften versprechen traditionelle Geschlechterverhältnisse eine Orientierungsfunktion, Identifikationsmöglichkeiten und Verhaltenssicherheit, was ihre anhaltende Beständigkeit als Teil des sozialen Mainstreams begünstigt (vgl. Henschel 2012). Geschlechterdualität und -polarität führen auch zu Diskriminierung oder der Einschränkung des Zugangs zu sozialen und materiellen Ressourcen für Frauen wie auch Menschen, die sich weder als Frauen noch als Männer einordnen oder bezeichnen lassen wollen (siehe jeweils einige Bedeutungen von queer und Trans*geschlechtlichkeit).

Gender steht als sozial konstruierte Kategorie nicht isoliert da, sondern wirkt in der Regel mit anderen, ebenfalls soziale Ungleichheit produzierenden Merkmalen, wie beispielsweise Alter oder Klasse zusammen (siehe auch Intersektionalität). Diese und weitere Kategorien stellen Dimensionen sozialer Vielfalt dar und lassen sich unter dem Begriff „Diversity“ zusammenfassen (vgl. Henschel/Eylert-Schwarz 2015 und Gender-Diversity-Portal der Leuphana Universität Lüneburg 2014).

**Mehrere Personen plädieren im Rahmen der Problematisierung des Gegensatzes zwischen gender und sex dafür, auch sex als gesellschaftlich konstruiert zu begreifen, was Konsequenzen beispielsweise für die Kritik an Aspekten der Disziplinen Humanmedizin und Humanbiologie hat. Auch möchten viele Menschen, die sich als trans definieren, nicht „biologisch“ einem anderen als ihrem eigenen Geschlecht zugeordnet werden. Generell bedeutet die Auffassung des sozialen und biologischen Geschlechts als Ergebnis von Konstruktionsprozessen nicht, ihre Existenz zu leugnen, da sie real wirkungsmächtig sind und individuelle Lebens- und Verhaltensweisen beeinflussen (vgl. Villa 2006 und Gender-Diversity-Portal der Leuphana Universität Lüneburg 2014; eine die Unterscheidung zwischen gender und sex problematisierende Darstellung aktueller biologischer Geschlechtertheorien findet sich in Voß 2018).

Bezüge zur Sozialen Arbeit

Das Wissen über Gender und Genderkompetenz sind (inzwischen) notwendige Professionalitätsmerkmale in allen Handlungsfeldern der Sozialen Arbeit sowie der Aus- und Weiterbildung. Betrachtet man die Soziale Arbeit als Profession, die sich täglich mit Fragen von Chancengleichheit, Sozialer Ungleichheit, Diversität und Heterogenität auseinandersetzt, so ist die Beschäftigung mit den biologischen und sozialen Dimensionen der Geschlechter und den damit verbundenen Hierarchisierungen sowie Machtungleichgewichten ein wesentliches Professionalitätsmerkmal (vgl. Böllert/Karsunky 2008).

Neben der Beachtung von Genderfragen und genderbewusstem Handeln gibt es in der Sozialen Arbeit auch spezifische Handlungsfelder, die einen starken Genderbezug aufweisen, z.B.:

  • Arbeit in Mädchen- und Jungengruppen in der offenen Jugendarbeit und der Schulsozialarbeit,
  • Soziale Arbeit im (i.d.R. geschlechtsgetrennten) Jugendstrafvollzug,
  • Arbeit mit von häuslicher Gewalt betroffenen Kindern und Frauen (z.B. im Frauenhaus),
  • Anti-Gewalt-Trainings und Selbstbehauptungskurse mit Männern, Frauen, Mädchen und Jungen,
  • Arbeit in Frauen- und Männerberatungsstellen,
  • Arbeit im Bereich Transgender/Queer (z.B. in Beratungsstellen und der Begleitung von Selbsthilfegruppen und Initiativen).

Literatur

Böllert, Katrin/ Karsunky, Silke (Hrsg.) (2008): Genderkompetenz in der Sozialen Arbeit. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Gender-Diversity-Portal der Leuphana Universität Lüneburg (2014): Was ist Gender? URL: http://www.leuphana.de/gender-diversity-portal/gender.html [06.09.2016].

Henschel, Angelika (2012): Gender Mainstreaming als Aufgabe in der Organisationsentwicklung und im Sozialmanagement. In: Bassarak, Herbert/Schneider, Armin (Hrsg.): Forschung und Entwicklung im Management sozialer Organisationen. Augsburg: Ziel Verlag, S. 82–100.

Henschel, Angelika/ Eylert-Schwarz, Andreas (2015): Herausforderung Heterogenität – Gender und Diversity als relevante Kategorien zur Gestaltung gelingender Übergänge zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung. In: Freitag, Walburga K./ Buhr, Regina/ Danzeglocke, Eva-Maria/ Schröder, Stefanie/ Völk, Daniel (Hrsg.): Übergänge gestalten. Durchlässigkeit zwischen beruflicher und hochschulischer Bildung erhöhen. Münster: Waxmann, S.133–150.

Villa, Paula-Irene (2006): Sexy Bodies. Eine soziologische Reise durch den Geschlechtskörper (3., aktualisierte Auflage). Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

weiterführende Literatur

Connell, Raewyn (2013): Gender. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften.

Ehlert, Gudrun (2012): Gender in der sozialen Arbeit. Konzepte, Perspektiven, Basiswissen. Schwalbach/Ts.: Wochenschau Verlag.

Voß, Heinz-Jürgen (2018): Geschlecht. Wider die Natürlichkeit. 4., durchgesehene und erweiterte Auflage. Stuttgart: Schmetterling.

Leuphana Universität Lüneburg / Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik / Projekt "KomPädenZ Potenzial" 2018


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