= gesellschaftliches Ordnungsprinzip, das nur genau zwei Geschlechter (Gender) anerkennt, diese in ein hierarchisches Verhältnis setzt (d.h. Männlichkeit über Weiblichkeit stellt) sowie vorschreibt, dass die biologische und die soziale Geschlechtsdimension eines Menschen übereinstimmen und sich dessen Begehren auf das jeweils entgegengesetzte Geschlecht (Weiblichkeit oder Männlichkeit) richtet (vgl. Dreier/Kugler/Nordt 2012).

Diese Geschlechtereinteilung und die mit ihr in Verbindung stehende Heterosexualität (siehe sexuelle Orientierung) gelten als unhinterfragbar „natürlich“ und „gut“; alles ihnen nicht Entsprechende wird als „unnatürlich“ und „unnormal“ gekennzeichnet, verleugnet oder trivialisiert. In der Konsequenz führt dies sowohl zu stereotypen Geschlechterrollen und entsprechenden Verhaltenserwartungen als auch zur Ausgrenzung und Diskriminierung von sich zum Beispiel als lesbisch oder schwul (siehe Homosexuellenfeindlichkeit), bisexuell, queer oder trans* definierenden Menschen (vgl. ebd. und Tietz 2015).

Geprägt wurde der Begriff zu Beginn der 1990er Jahre in queeren Kontexten. Er bildet noch heute eines der zentralen Konzepte in queerer Theorie und damit assoziierter politischer Praxis (vgl. Kleiner 2016 & Tietz 2015). Dass die Kritik an dem mit dem Begriff benannten Sachverhalt nach wie vor relevant ist, zeigt sich auch daran, dass trotz bisheriger Erfolge lesbischer, schwuler, queerer und anderer aktiven Personen, Reformen im Strafrecht und eines allgemeinen sozialen Wandels Traditionen der Normierung und Stigmatisierung bis heute in „westlichen“ Gesellschaften nachwirken, beispielsweise in Form von Diskriminierungen am Arbeitsplatz oder im Kontext sexualisierter Gewalt (vgl. Tietz 2015). Die Verinnerlichung von Normen kann bei einzelnen Menschen auch nach wie vor dazu führen, dass sie aus Angst vor einem eigenen Begehren, das von den Normen abweicht, die anerkannte(re)n Verhaltensmuster, Rollenbilder u.Ä. überbetonen (vgl. ebd.).

Generell kann festgehalten werden, dass Heteronormativität wie andere Ausgrenzungsverhältnisse, beispielsweise Rassismus, sowohl auf institutioneller Ebene als auch auf der Ebene der individuellen Interaktionen wirkt und reproduziert wird (vgl. ebd.).

Heteronormativität kann zudem als „implizite Norm“ (ebd.) aufgefasst werden: Heterosexualität braucht sich nicht als eine Identität kennzeichnen oder benennen. Homosexualität wurde (und wird zum Teil noch) primär nicht als Abweichung von der Heterosexualität (vgl. ebd.), sondern „von ‘Normalität’, ‘Sitte’, ‘Anstand’ oder ‘Ordnung’“ (ebd.) gekennzeichnet. Hinzu kommt, dass es auch deshalb als „normal“ gilt, über eine eindeutige Geschlechtsidentität zu verfügen und in Verbindung damit heterosexuell zu sein, weil dies vermeintlich für die Mehrheit der Bevölkerung zutrifft (vgl. ebd.) – „Wer diesen normativen Erwartungen nicht entspricht, steht unter gesellschaftlichem Druck, sich zu erkennen geben und erklären zu müssen“ (ebd.).

Bezüge zur Sozialen Arbeit

Die Soziale Arbeit ist Teil einer dual geprägten Gesellschaft. Aufgabe der Sozialen Arbeit ist deshalb auch, Stereotype zu vermeiden und Diversity zu fördern. Das heißt auch, das eigene Handeln, auch in Bezug auf die Heteronormativität oder geschlechtliche Vielfalt hin, zu überprüfen. Für die konkrete Arbeit könnte dieses beispielsweise bedeuten, dass die speziellen Angebote Jungen- und Mädchentag in einem Jugendzentrum zu hinterfragen sind, sofern diese sich nicht kritisch mit Heteronormativismen und gesellschaftlichen Rollenbildern und Machtverhältnissen auseinandersetzen. Auch ist die Frage, was mit Kindern und Jugendlichen, die sich keinem Geschlecht zugehörig fühlen, an diesen Tagen passiert. Aber auch die räumliche Zuweisung von Frauen- und Männertoiletten ist kritisch zu betrachten. Brauchen wir unter dem Aspekt von Diversity nicht Gendertoiletten, die alle Menschen gleichermaßen benutzen können? Eine Selbstreflexion der Fachkräfte der Sozialen Arbeit mit dem Fokus auf gesellschaftliche Normen und damit auch der bewusste Blick auf Geschlecht, sexuelle Neigung, stereotype Zuschreibungen usw. ist unabdingbar.

(siehe ansonsten auch die Bezüge-Abschnitte unter Homosexuellenfeindlichkeit und Sexuelle Orientierung)

Literatur

Dreier, Katrin/ Kugler, Thomas/ Nordt, Stephanie (2012): Glossar zum Thema geschlechtliche und sexuelle Vielfalt im Kontext von Antidiskriminierung und Pädagogik. In: Bildungsinitiative Queerformat und Sozialpädagogisches Fortbildungsinstitut Berlin-Brandenburg (Hrsg.): Geschlechtliche und sexuelle Vielfalt in der pädagogischen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Handreichung für Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe. Berlin: Queerformat, S. 84–100. URL: http://www.queerformat.de/fileadmin/user_upload/news/120622_SexuelleVielfalt_Glossar.pdf [05.01.2017].

Kleiner, Bettina (2016): Heteronormativität. URL: http://gender-glossar.de/item/55-heteronormativitaet [05.01.2017].

Tietz, Lüder (2015): Homosexualität, Cross-Dressing und Transgender: Heteronormativitätskritische kulturhistorische und ethnographische Analysen. Oldenburg: Institut für materielle Kultur. URL: https://www.uni-oldenburg.de/fileadmin/user_upload/materiellekultur/Studien_zur_Materiellen_Kultur/Band16_Tietz_Diss_Homosexualitaet_2015.pdf [02.11.2016].

Weiterführende Literatur 

Kleiner, Bettina (2015): subjekt bildung heteronormativität. Rekonstruktion schulischer Differenzerfahrungen lesbischer, schwuler, bisexueller und trans*geschlechtlicher Jugendlicher. Leverkusen-Opladen: Barbara Budrich.

Leuphana Universität Lüneburg / Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik / Projekt "KomPädenZ Potenzial" 2017


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